Geschichten aus dem Kaffeesatz …
Meze, Raki und Kaffee
Meine Grossmutter Hatice war eine hervorragende Köchin und eine leidenschaftliche Geschichtenerzählerin. Sobald die «Meze»-Teller abgeräumt waren und man den letzten Schluck «Rakı» getrunken hatte, kochte sie den aromatischen, süssen und starken Kaffee.
Mit viel Zucker und Wasser brühte sie den fein gemahlenen Mocca in einem Kupferkännchen auf, bis sich an der Oberfläche ein dichter Schaum bildete. Gleichmässig verteilte sie die dunkle Flüssigkeit in hübsche, filigrane Tassen. Nun waren wir gefragt: Konzentriert und langsam tranken wir unseren Kaffee, stülpten den Unterteller auf die Tasse und drehten diese auf den Kopf. Gespannt warteten wir fünfzehn Minuten, bis der Kaffeesatz erkaltete und sich winzige Symbole an der Tassenwand bildeten.
Ihre Deutungen aus dem Kaffeesatz waren weitherum berühmt. Klar, dass wir jungen Frauen ihr an den Lippen hingen. Nachmittage lang steckten wir die Köpfe zusammen, deuteten, diskutierten und liessen unseren Intuitionen freien Lauf. Ich habe nie herausgefunden, ob meine Grossmutter selbst an das Orakel glaubte. Sie lächelte stets nur geheimnisvoll und hat mir jeweils zugezwinkert, sobald ich darauf zu sprechen kam.
Mit weiblicher Intuition machte sie sich auf die Suche nach der verborgenen Wahrheit. Meine Grossmutter war eine sehr feinfühlige Frau, welche die Zusammenhänge intuitiv erfassen und in spannenden Geschichten wiedergeben konnte.
